Wie der Name schon andeutet, ist das Urkorn der Vorfahre der heutigen Getreidesorten, welches aber durch geringere Erträge lange in Vergessenheit geraten war. Sein Comeback erfährt es heutzutage durch Bio-Landwirtschaft und Menschen, die Wert auf eine abwechslungsreiche Kost legen. Was genau in den alten Körnern steckt und welche Sorten es wieder in die Regale geschafft haben, beleuchten wir in diesem Beitrag.

Ein Überblick über die bekanntesten Urkorn-Sorten

Welche Sorten Urkorn gibt es überhaupt? Was macht sie besonders? Welche Nährstoffe sind enthalten? Und mit welchem ursprünglichen Korn lässt sich welches Rezept am besten umsetzen? Dazu geben wir gern einen kleinen Überblick – die Qual der Urgetreide-Wahl liegt letztlich jedoch bei Ihnen.

Übrigens: Pseudogetreide wie Amaranth, Buchweizen und Quinoa sind botanisch gesehen keine Süßgräser (Getreide) wie Weizen oder Dinkel. Sie enthalten kein Gluten und erfordern darum beim Backen ein gewisses Know-how. So interessant sie daher z.B. auch für Menschen mit Zöliakie sind, wollen wir uns aber in diesem Beitrag auf die echten Urkörner konzentrieren, welche botanisch auch wirklich zu den Getreiden zählen.

Ein Feld mit grünem Getreide

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Widerstandsfähig und goldgelb: Einkorn

Während der Bronzezeit war Einkorn das Hauptgetreide schlechthin, wurde dann im Mittelalter aber zunehmend von Dinkel verdrängt. Die festen Spelzen, also die Hülle des Korns, gestalten die Verarbeitung zwar aufwändiger. Dafür ermöglichen sie aber auch eine längere Haltbarkeit und schützen das wertvolle Innere vor äußeren Einflüssen. Das ertragsarme Urkorn ist in der Bio-Landwirtschaft darum durch seine Anspruchslosigkeit und Widerstandsfähigkeit beliebt.

Die kleinen weichen Körner weisen einen hohen Gehalt an Carotinoiden auf und sind darum goldgelb. Vor allem das ebenfalls enthaltene Lutein wird mit der Gesunderhaltung der Sehkraft in Verbindung gebracht. Geschmacklich ist Einkorn leicht nussig und dadurch sehr angenehm. Aufgrund der mäßigen Klebeeigenschaften werden Einkorn-Mehle übrigens oft mit Ascorbinsäure oder Acerolapulver behandelt, um die Teigstabilität zu verbessern.

Brote mit Einkorn gelingen am besten in Backformen, die dem Teig Halt geben und das Gashaltevermögen unterstützen. Es eignet sich auch zum Einmischen in andere Mehle, da die Verarbeitung eines reinen Einkornteiges viel Backerfahrung erfordert. In Waffeln, Pfannkuchen und Früchtebrot verarbeitet werden aber auch eher unerfahrene Backfreunde gute Ergebnisse mit Einkorn erzielen.

Ein Urkorn-Feld mit Einkorn ist zu sehen

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Grüße aus der Steinzeit: Emmer

Zusammen mit Gerste war Emmer das Hauptgetreide im Europa des 10. Jahrhunderts und eine der ersten kultivierten Getreidesorten. Forscher gehen sogar davon aus, dass dieser Vorfahre des Weizens das wichtigste Getreide in der Jungsteinzeit war. Es ist nah verwandt mit dem Einkorn, führt jedoch zwei Körner auf jeder Spindelstufe der Ähre, was ihm den Namen “Zweikorn” eingebracht hat. Seit Beginn der Bronzezeit nahm die Bedeutung von Emmer in der Ernährung zunehmend ab. Heute wird das Urkorn aber in der Bio-Landwirtschaft wieder vermehrt eingesetzt, da es Umwelteinflüssen trotzt und auf trockenem, nährstoffarmem Boden gedeiht.

Der Glutenanteil im Emmerkorn ist zwar höher als im modernen Weizen, jedoch sind seine Klebeeigenschaften schlechter. Dafür weiß Emmer geschmacklich mit seinem würzigen Aroma zu punkten und ist damit sogar intensiver als Weizen oder Dinkel. Das Korn hat zudem einen hohen Anteil an Kalium, Kalzium und vor allem Vitamin E. Letzteres trägt u.a. zum Zellschutz und zu einem guten Fettstoffwechsel bei. Auch unser Immunsystem profitiert von den antioxidativen Eigenschaften dieses Vitamins.

Gebäcke aus diesem Urkorn haben eine leicht dunkle Farbe. Als Einmischung kommt Emmermehl in Hefeteigen und in feinen Backwaren zum Einsatz. Die ganzen Körner hingegen sind lecker in Eintöpfen, veganen Bratlingen und Salaten. Kenner schwören im Übrigen auf naturtrübes, obergäriges Emmerbier, welches eine wunderschöne Bernsteinfarbe hat und intensiv malzig schmeckt.

Khorasan: die Nährstoffbombe

Khorasan – bzw. Kamut als rechtlich geschützter Begriff für seine biologisch angebaute Form – ist genetisch gesehen eine natürliche Hybride aus Hartweizen und einer wilden Weizenform. Sein Getreidekorn ist jedoch fast doppelt so groß wie Hartweizenkörner und bereits über 6.000 Jahre alt. Der Name lässt vermuten, dass seine Herkunft auf eine historische Region in Zentralasien verweist. Im Vergleich zu anderen Urkörnern reagiert Khorasan recht empfindlich auf Anbaufehler und schlechte Witterungsverhältnisse. Dafür kann eine pflanzeneigene, natürliche Unkrautunterdrückung beobachtet werden, was vor allem im Bio-Anbau von Vorteil ist.

Khorasan-Vollkornmehl enthält bis zu 30 % mehr Magnesium als andere Vollkornprodukte. Dieses aktiviert Enzyme und ist an der Reizübertragung unserer Nerven an die Muskeln beteiligt. Außerdem ist der Gehalt an Selen, Zink, Phosphor sowie den Vitaminen E, B1 und B2 nennenswert. Bereits 200 g Brot aus dem Urkorn können den täglichen Bedarf an Selen decken. Dieser Nährstoff ist u.a. wichtig für die Funktion der Schilddrüse und zur Bildung von Spermien.

Das Angebot an Produkten komplett aus Khorasan und Kamut ist recht begrenzt, was relativ hohe Preise zur Folge hat. Khorasan-Mehl kommt aber häufig als Einmischung in Urkorn-Broten vor. Sein Geschmack ist leicht nussig und buttrig. Durch seinen hohen Eiweißgehalt und gute Klebeeigenschaften kann es in vielen Gebäcken ähnlich wie Dinkel und Weizen verwendet werden.

Ein Dinkelfeld in der Sonne ist zu sehen.

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Der Allrounder: Dinkel

Dinkel gehört zu den Urkorn-Sorten, die wohl am bekanntesten sind und ihr altes Image abstauben konnten. Biologisch gesehen ist er Teil der Weizen-Familie. Der feste Spelz des Dinkelkorns macht seine Verarbeitung etwas aufwendiger, schützt aber das Innere vor Verderb. Bereits die Kelten und alten Ägypter haben Dinkel angebaut, bis er zu Beginn des 20. Jahrhunderts fast vollständig durch modernen Weizen von den Feldern verdrängt wurde. Die Naturkost-Bewegung um die 1970er Jahre verhalf Dinkel zu einer Renaissance und brachte ihn wieder auf heimische Acker und Teller.

Dinkel ist reich an Eisen, Vitamin B2 und Zink. Gerade Eisen spielt eine wichtige Rolle in unserem Immunsystem, bei der Blutbildung sowie bei der Sauerstoffversorgung unserer Organe. Um an diesen wertvollen Stoff zu kommen, kann unser Körper aber etwas Unterstützung brauchen. So hilft eine gute Vitamin C Versorgung dabei, die Eisenaufnahme aus pflanzlichen Quellen zu verbessern. Deswegen wird auch gern frischer Orangensaft zum Frühstück serviert.

Dinkel hat aber noch weitere Vorzüge. Es kann z.B. beim Backen fast eins zu eins anstelle von Weizen eingesetzt werden. Lediglich die etwas höhere Quellfähigkeit von Vollkorn-Dinkelmehl sollte beachtet und etwa 10 % mehr Flüssigkeit hinzugefügt werden. Sein herzhaft nussiges Aroma macht sich hervorragend in den verschiedensten Gebäcken. Sie können also so ziemlich alles mit Dinkel backen, was auch mit Weizen gelingen würde. Auch als Grünkern-Bratling, also aus unreif geerntetem Dinkel, kann man dieses Urkorn genießen.

Vor einem dunklen Hintergrund sieht man einige goldene Gerstenhalme.

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Reich an Kohlenhydraten: Gerste

Gerste ist eines der ältesten Urkörner. In Deutschland wird es zum Großteil an Nutztiere verfüttert oder dient als Rohstoff für die Malzherstellung in der Bierproduktion. Auch in Malzkaffee und Spirituosen wird es verwendet.

In dem Korn der Gerste stecken unter anderem viele Kohlenhydrate und Eisen. Andere Getreide sind zwar ballaststoffreicher, aber Gerste hat dafür andere Vorzüge. So wird vor allem dem enthaltenen Beta-Glucan verdauungsfördernde sowie cholesterin- und blutzuckersenkende Eigenschaften nachgesagt. Backwaren und Gerichte aus diesem Getreide sind darum gern auf Tellern gesehen.

Durch seinen geringen Gehalt an Klebereiweiß ist Gerste leider etwas weniger gut zum Backen geeignet. Seine Körner finden darum eher Verwendung in Suppen, Grütze, Graupen und Flocken. Manche Menschen nehmen dieses Urkorn auch in Form von Gerstengras zu sich, dem eine antioxidative Wirkung zugeschrieben wird.

Ein Feld voll Roggen ist zu sehen. Die Ähren wirken dunkel.

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Waldstaudenroggen: der aromatische Unbekannte

Dieses Urkorn ist winterfest, wird mehrjährig angebaut und bereitet den Boden optimal auf das Pflanzen von Gemüse vor. Das schenkt ihm zunehmend Beachtung im ökologischen Permakultur-Anbau. Seine Anspruchslosigkeit und die Möglichkeit, Johannisroggen – wie er auch genannt wird – in großen Höhen anzubauen, macht ihn trotz geringer Erträge interessant für den Landbau. Die umgangssprachliche Bezeichnung “Urroggen” ist übrigens kritisch zu betrachten, da Waldstaudenroggen sich deutlich von Kulturroggen unterscheidet.

Im Diskurs findet Waldstaudenroggen zwar wieder zunehmend Beachtung, doch auf dem Markt ist er weiterhin eher nur unter Kennern beliebt. Mehl aus diesem Urgetreide hat einen erdig-würzigen, fast leicht süßlichen Geschmack, der sich während des Backens intensiviert. Die Backwaren erhalten durch ihn eine leicht dunkle Färbung.

Waldstaudenroggen wird vorwiegend zu Vollkornmehlen verarbeitet oder ist geschrotet erhältlich. Durch den hohen Schalenanteil kann ein intensiv vollmundiger Geschmack erzeugt werden. Dieses Urkorn alleine funktioniert eher weniger gut zum Backen und wird darum häufig als Einmischung in Teige aus Mehlen mit besseren Klebeeigenschaften gegeben.

Eine Hafer-Rispe mit den spindelförmigen Körnern ist im Vordergrund zu sehen.

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Lecker in Brot oder Brei: Hafer

Saathafer, auch Echter Hafer genannt, kennen Sie wahrscheinlich als beliebte Grundzutat in Frühstücksflocken, Müsli und Porridge (Haferbrei). Letzteres wurde schon zu Zeiten unserer Großeltern gerne serviert, wenn der Magen verrückt spielt. Ob warm oder kalt – mit einigen Früchten aufgepeppt ist diese Speise auch heute noch beliebt.

Grund dafür sind die enthaltenen Beta-Glucanen, welche Magen und Darmwand schützen sollen. Auch Diabetikern wird oft empfohlen, Hafer zu sich zu nehmen, da diese enthaltenen Bestandteile die Nährstoffaufnahme ins Blut verzögern und so den Blutzuckerspiegel weniger stark steigen lassen.

Besonders gut verwertbar ist das Urkorn wirklich in seiner gequetschten Form und in warmer Flüssigkeit (z.B. Milch) aufgequollen als Haferbrei. Aber auch Müsliriegel, Kekse und Brötchen werden durch Hafer schmackhaft ergänzt. Viele Veganer lieben Pflanzendrink aus Hafer, der umgangssprachlich Hafermilch genannt wird. Die weiße, leicht süßliche Flüssigkeit lässt sich wie Kuhmilch verwenden.

Zwerghirse

Zwerghirse – auch Teff genannt – ist nur eine von vielen Hirsearten und das kleinste Korn unter den Getreiden. Die gelben rundlichen Körner werden gern als Reis-Ersatz verwendet und sind nicht zum Rohverzehr geeignet. Dafür kann Zwerghirse auch von Menschen mit Zöliakie gegessen werden, denn es enthält kein Gluten. Dieses unscheinbare Korn ist das Hauptnahrungsmittel vieler Menschen in Äthiopien und Eritrea.

Das winzige Korn gehört mit 13 g Eiweiß pro 100 g Korn zu den proteinreichen Getreidesorten. Zusammen mit dem enthaltenen Lysin, welches zum Aufbau von Muskeln beiträgt, ist es kein Wunder, dass Zwerghirse vor allem bei veganen Sportlern beliebt ist. Essentielle Fettsäuren, wie sie auch in Teff enthalten sind, tragen zur Gesunderhaltung des menschlichen Körpers bei.

Hirse ist etwas aufwändiger in der Verarbeitung. Vor dem Kochen sollten die Körner bis zu zwei Stunden in Wasser eingeweicht und danach abgegossen werden. Das liegt an der enthaltenen Oxal- und Phytinsäure, die so ausgespült und durch Hitze unschädlich gemacht wird. Vor allem in der Schale kommen diese unerwünschten Substanzen vor, weshalb Sie beim Kauf lieber geschälte Hirse aus biologischem Anbau bevorzugen sollten. Teffmehl wird in vielen glutenfreien Rezepten gerne verwendet und ermöglicht als Beimischung ein breites Sortiment an Gebäcken. Besonders beliebt ist es in Fladenbrot und Brei.

Ein Urkorn für jedes Rezept

Wie sie sehen, ist die Auswahl an Urkorn-Sorten gar nicht so klein, wie die Bezeichnung es vielleicht erst vermuten lassen würde. Auch das staubige Image dürfte zumindest in Großstädten und Bio-Bäckereien der Vergangenheit angehören. In jedem Fall bietet jedes Urkorn eine schöne Möglichkeit, Ihre Ernährung noch abwechslungsreicher zu gestalten. Zudem bleiben mit diesen speziellen Sorten Pflanzen für den Landbau erhalten, die zur Artenvielfalt beitragen.

Quellen

www.initiative-urgetreide.de/
www.bzfe.de/inhalt/urgetreide-28442.html
www.bzfe.de/…/EiF_Urgetreide_Mehr_Schein_als_Sein.pdf
www.assmann-stiftung.de/…/Vitamine-Mineralstoffe-Spurenelemente.pdf